Musikreise 2011 Kartause Ittingen

Jenen Mitgliedern des Musikvereins, die sonst vor die Wahl ob sonntäglicher Gang zu Predigt und Besinnung oder aber geselliges Beisammenseingestellt sind, wurde die Entscheidung dieses Jahr leicht gemacht. Denn nach der Besammlung zu morgendlicher Stunde am Bahnhof Pfungen, führte der Weg über Winterthur und Frauenfeld nach Warth im Kanton Thurgau.

Genauer gesagt: Zur Kartause Ittingen.Wer jetzt an einen Brauereibesuch dachte, hatte sich unter Umständen aber zu früh gefreut, denn das gleichnamige Klosterbräu wird in Chur gebraut.

 

Das 1150 von Augustinermönchen gegründete Kloster gelangte 1461 in den Besitz des Kartäuserordens, wovon sich seine Namensgebung ableitet. Bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1848 wurde es von Mitgliedern des Kartäuserordens bewohnt und bewirtschaftet. Bereits 50 Jahre zuvor ging das Klostervermögen in den Staatsbesitz des Kantons Thurgau über, das Kloster selbst war bis 1976 rund 110 Jahre im Privatbesitz einer wohlhabenden Bankierfamilie. Während dieser Zeit sah es so illustre Gäste wie den letzten Deutschen Kaiser während der sogenannten „Kaisermanöver“ auf seinem Staatsbesuch von 1912 in der Schweiz. Heute beherbergt die als Stiftung betriebene Klosteranlage zwei Museen, ein Schulungs- und Seminarzentrum, sowie ein Wohnheim und einen Hotelbetrieb samt Restaurant.

Somit ist eine Besichtigung dieser altehrwürdigen Mauern auch fast schon ein Muss. Und genau dies stand auf dem Vormittagsprogramm. Unter kompetenter Führung erfuhr man allerlei Wissenswertes über (Kunst-)Historie und den Klosteralltag. Gerade das Klosterleben war es, welches bei den Besuchern auf Interesse stiess. Denn dieses war geprägt von absoluter Abgeschiedenheit von der Aussenwelt und einer äusserst asketischen Lebensweise. Die Mönche legten mit dem Ordenseintritt ein Schweigegelübde ab und widmeten sich, nebst einigen Klosterarbeiten, voll und ganz dem Studium und dem Gebet. Anders als andere Glaubensorden, welche sich der Armenpflege oder Seelsorge annehmen, verbringen die Kartäuser ihr irdisches Leben in völliger Einsamkeit und Spiritualität. So trafen denn diese Schilderungenauch auf einiges Erstaunen, bisweilen sogar auf Befremden. Ein Leben, welches in unserer heutigen Zeit kaum mehr vorstellbar ist.

Doch auch die beste und interessanteste Führung stillt nicht so irdische Bedürfnisse wie den Durst. Und so brach man nach einer ersten Stärkung im Klosterrestaurant auf zum nächsten Etappenziel. Der Weg führte zu Fuss durch Wald und überland zu denRebhängen von Iselisberg. Der leichte Anstieg wurde durch warm-schwüles Herbstwetter nur leicht erschwert und sorgte für die sicherlich einzigen Schweisstropfen an diesem Tag. Doch bei gutem Wetter wird man mit einem Panorama der Vorarlberger und Ostschweizer Alpen bis hin zum Pilatus belohnt Auf der Sonnenterrasse Iselisberg angekommen, befriedigte man ein weiteres irdisches Bedürfnis – den Hunger. Spätestens bei Wurst vom Grill, einem kühlen Getränk oder einem Tropfen aus dem heimischen Weinanbau war jegliche Sympathie für das karge und asketische Klosterleben verflogen.

Letztes Etappenziel war das Dörfchen Niederneuforn, kurz „Niedernüfere“. Der Weg führte durch die Rebhänge des Thurtales und der eine oder andere Wanderer konnte es nicht unterlassen, sich von der Qualität der diesjährigen Traubenernte selbst zu überzeugen. Am Ziel angekommen, war man doch etwas befremdet über die Eigenheiten des örtlichen Wirtschaftslebens. Wird andernorts das „Beizensterben“ beklagt, leistet man sich hier den Luxus, an einem sonnigen Sonntag im Spätsommer sämtliche Einkehrmöglichkeiten zu schliessen. Aber wo ein Durst ist, da ist auch ein Weg. Und so fand sich dann doch noch ein Flohmarkt, dessen Veranstalter sich über den regen Zulauf freute – wenn auch der Andrang hauptsächlich der vermissten Einkehrmöglichkeit und nicht dem Trödel galt. Doch so konnte man sich noch ein letztes Mal mit Getränken, Kuchen oder einer zweiten Runde vom Grill stärken, bevor man am späteren Nachmittag die gemeinsame Heimreise antrat.

 

Martin S. Bont